Ausbau der Elektromobilität: Full-Service wird in Zukunft zum Gebot der Stunde

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Die Elektromobilität in Deutschland boomt. Auch die Ladeinfrastruktur wird auf allen Ebenen ausgebaut. Auf der Strecke bleiben jedoch die betreiberinternen Überlegungen und Konzepte, wie der Betrieb der Ladestationen dann in den nächsten 15 bis 20 Jahren technisch und wirtschaftlich solide laufen soll. Darüber hinaus ist oft unklar, was Betreiber alles beachten müssen. Zu diesem Thema haben sich drei Unternehmen zusammengefunden, die hier ein Gesamtpaket schnüren. Im gemeinsamen Interview erläutern sie die Ausgangslage und was geplant ist.


Herr Richter, Sie sind Geschäftsführer der BWTS GmbH, Sie Herr Buca, vertreten hier Bureau Veritas Deutschland und Herr Thomas Haukje die Nordwest Assekuranz. Würden Sie uns Ihre Unternehmen bitte kurz vorstellen?

 

Michael Richter: BWTS ist ein herstellerunabhängiger Servicedienstleister im Bereich der Erneuerbaren Energien mit Niederlassungen in Stäbelow bei Rostock, Kiel, Nordhorn und Buchholz in der Nordheide. Unsere Dienstleistungen umfassen die Wartung, Prüfung und Instandhaltung von Erneuerbare-Energien-Anlagen. Wir sind seit 2009 weltweit on- und offshore im Einsatz.

Sebastian Buca: Bureau Veritas ist ein weltweit führendes Unternehmen in den Bereichen Testing, Inspection and Certification (TIC).  Mit mehr als 82.000 Mitarbeiter in über 140 Ländern unterstützen wir unsere Kunden, grob gesagt, in den Bereichen Qualität, Gesundheit & Sicherheit, Umweltschutz & soziale Verantwortung.

Thomas Haukje: NW Assekuranz begleitet weltweit Kunden in allen Bereichen des Risiko- und Versicherungsmanagements.  Hierbei analysieren und bewerten wir Risiken, erarbeiten wirksame Maßnahmen des Risikotransfers und transferieren Risiken, indem wir individuelle Absicherungskonzepte entwickeln und diese auf den globalen Versicherungsmärkten platzieren. NW Assekuranz besitzt eine umfangreiche Expertise bei der Bewältigung komplexer Industrierisiken unter anderem in den Bereichen Maschinenbau, Bauindustrie, Logistik, Maritime Wirtschaft und ein marktweit hoch geschätztes Fachwissen im Bereich Erneuerbarer Energien sowie nationaler als auch internationaler Großprojekte. Wir betreuen derzeit weltweit Projekte im Bereich der Erneuerbaren Energien mit einer Gesamtleistung von mehr als 50.000 Megawatt.

 

Warum jetzt diese Kooperation im Themenfeld Elektromobilität? Frage vielleicht an Sie, Herr Richter, da BWTS hier ja initiativ war

Michael Richter: Der Ausgangspunkt ist ziemlich klar: Wir denken heute noch nicht oder zu wenig über die Installation bzw. den Ausbau der Ladeinfrastruktur für die E-Mobilität hinaus. Es reicht eben nicht, dass wir möglichst viele Fahrzeuge mit elektrischen Antrieben auf den Straßen sehen. Die Ladeinfrastruktur soll rund 15 bis 20 Jahre wirtschaftlich und sicher laufen. Darüber macht man sich aber kaum Gedanken. Zudem: Die Nutzer der Ladesysteme sind zumeist elektrotechnische Laien. Das bedingt eine deutlich höhere Aufmerksamkeit der Betreiber auf das Sicherstellen der Betriebssicherheit durch geeignete/qualifizierte Serviceanbieter. Aus unserer Sicht ist eine engere Zusammenarbeit zwischen den Marktteilnehmern entlang der Wertschöpfungskette von hoher Bedeutung, weil es noch viel Lern- und Informationsbedarf auf allen Ebenen gibt. Das war ein wesentlicher Grund dafür, dass Bureau Veritas und BWTS sich bereits im September 2021 dazu entschieden haben, in den Bereichen Qualifizierung/Vorbereitung, Prüfung und Service der Ladeinfrastruktur zusammenzuarbeiten. Das Ziel ist, Betreibern Leistungen aus einer Hand zu liefern.

 

Herr Richter hat die Ausgangslage skizziert, würden Sie das weiter ausführen, Herr Buca, was in der Konsequenz daraus resultiert: Ist Full-Service eine notwendige Reaktion auf eine sich abzeichnende Entwicklung am Markt?

Sebastian Buca: Ja. Wir machen immer wieder die Erfahrung, dass Betreiber z. T. auf unerfahrene Anbieter oder eigene interne Lösungen zurückgreifen. Da Erfahrungswerte fehlen, macht sich das im späteren Leben der Anlage oft teuer bezahlt. Vorteile für Betreiber bieten Full-Service-Anbieter, die flächendeckend und in Zeiten des Fachkräftemangels vor allem langfristig auf gleichbleibendem Qualitätsniveau anbieten können. Für Betreiber sind, auch wenn es etwas abgedroschen klingt, Alles-aus-einer-Hand-Sorglos-Pakete wichtig, d. h. sie müssen sich sicher sein, dass die Ladesäuleninfrastruktur konform betrieben wird und die Ausfallzeiten im Rahmen von Wartung, Service und Reparatur möglichst gering sind. Full-Service-Lösungen, wie sie in der Kooperation von BWTS, Nordwest Assekuranzmakler und Bureau Veritas möglich sind, können diese Anforderungen bestmöglich abdecken.

 

Aber warum kann nicht ein Installationsbetrieb auch den Service machen? – Frage noch mal an Sie, Herr Richter

Michael Richter: Dass ein Installationsunternehmen auch den Service übernehmen kann, spricht niemand ab. Doch Installationsunternehmen sind oftmals von Baustelle zu Baustelle unterwegs, während lokale Serviceanbieter eine regionale Präsenz anbieten können. Die Nachfrage nach Installationen von Anlagen ist außerdem steigend. In Zeiten des allgegenwärtigen Fachkräftemangels bietet es sich für Betreiber und/oder Installationsbetriebe an, mit lokalen Serviceunternehmen zusammenzuarbeiten, die sozusagen nach der ersten Kilowattstunde mit der Betreuung der Anlagen starten. Bei der Breite des Leistungsportfolios kommt es darauf an, Prozess- und Transaktionskosten zu sparen. Viele Einzelbeauftragungen von verschieden Akteuren lohnen sich nur bedingt. Auch aus solchen Gründen sind Kooperationen wie zwischen Bureau Veritas, Nordwest Assekuranzmakler und BWTS sinnvoll, die dem Kunden unnötige Kosten und Schnittstellen ersparen. Es ist so, dass ein Betreiber bei der Auswahl des Serviceanbieters verschiedene Faktoren in Betracht ziehen sollte, um die Wirtschaftlichkeit und Sicherheit der Anlagen zu gewährleisten.

 

Welche wären das?

Michael Richter: Betreiber sind aus unserer Sicht angehalten, schon bei der Auswahl der Systeme und der Partner für die Installation und den Service auf verschiedene Punkte zu achten, die man aus den Lernkurven der Betreiber von Installationen/Anlagen in anderen Bereichen der Erneuerbaren Energien in Teilen ableiten kann. So ist z. B. das Thema des Zugangs zu Ersatzteilen, Schulungen und Software über den gesamten Lebenszyklus wichtig. Sobald Teile usw. nicht mehr verfügbar sind, weil der Anbieter aus dem Markt ausgeschieden ist oder einfach das Produkt nicht mehr herstellt oder unterstützt, ist im schlechtesten Fall ein Komplettaustausch notwendig. Weitere Komponenten sind die bereits erwähnte Nähe, die Qualifikation des Anbieters und die Breite des Leistungsangebots.

 

Thomas Haukje: Welche Rolle übernimmt in diesem Kontext Nordwest Assekuranz?

Als marktweit anerkannter Risikoberater und Risikomanager arbeiten wir die Risikosituation unserer Mandanten umfangreich und transparent auf. Insbesondere für Wartungsunternehmen gestalten wir die Absicherung der angebotenen Wartungsverträge. Besonders gefragt ist unsere Expertise im Bereich des Schadenmanagements.

 

Wie stellt sich die Situation der öffentlich zugänglichen Ladeinfrastruktur aus Sicht des Versicherungsmaklers dar, was sind die ersten Erfahrungen?

Thomas Haukje: Leider kommt es immer wieder zu Vandalismus und auch Diebstählen von Kupfer. Wichtig ist hierbei das professionelle Management der Ersatzteilversorgung, um sicherzustellen, dass die Ladepunkte wieder schnell verfügbar sind. Wir unterstützen hier mit unseren Netzwerken, um Schadensfälle möglichst schnell und zuverlässig abzuwickeln. Hier läuft dann alles Hand in Hand mit der BWTS im Sinne der Kunden.

 

In der Konsequenz muss ja aus den Erkenntnissen, die Sie gesammelt haben und hier vorstellten, eine passende Antwort resultieren. Was stellen Sie Betreibern über ihre Kooperation in Aussicht? Frage zunächst an Sie, Herr Buca und Herr Richter

Sebastian Buca: Durch die Kooperation zwischen einem Servicedienstleister im Bereich Erneuerbare Energien, einem Versicherer und einem Prüfdienstleister bzw. Zertifizierer können wir Kompetenzen bündeln und kommerzielle Betreiber von Ladesäulen entlang des gesamten Projektlebenszyklus – von der Planung über die Installation bis zur Betriebsphase – dabei unterstützen, alle notwendigen Anforderungen einzuhalten sowie ihre Ladesäulen für einen wirtschaftlichen und sicheren Betrieb zu optimieren. Für die Betreiber von Ladesäulen sorgt das für Rechtssicherheit, Wirtschaftlichkeit und vor allem Klarheit, was wann wie zu tun ist.

Michael Richter: In Zukunft sind Vollwartungsverträge denkbar, die zu einem fixen Jahrespreis dem Betreiber eine breite Leistungspalette bieten, die die Themen wie Prüfungen, Wartungen, Reparaturen und andere Leistungen enthalten, um ihm die Fokussierung auf seine Kernkompetenzen zu ermöglichen.

 

Welchen Baustein liefert Nordwest Assekuranz dazu?

Thomas Haukje: Wir strukturieren aktuell das Absicherungskonzept für die BWTS als Full-Service-Provider für Ladeinfrastruktur, damit alle Beteiligten ausreichend Sicherheit haben, langfristige Wartungsverträge anzubieten und anderseits auch abschließen zu können.

Wenn man Ihre Statements und Ausführungen in einer Kernaussage einmal zusammenfasst, dann sagen Sie, dass Full-Service in Zukunft das Gebot der Stunde ist. Doch was macht Sie da so sicher? Wohin entwickelt sich aus Ihrer Sicht der Markt? Die Frage zum Schluss an Sie, Herr Richter

Michael Richter: Die Installationen werden perspektivisch zunehmend von Einzelinstallationen hin zu E-Ladeparks und E-Tankstellen gehen. Dadurch sind Serviceanbieter auch im besonderen Maße gefordert, wenn es um Kapazitäten und Fähigkeiten geht. Auch sollten etwaige Schäden, Gewährleistungsansprüche und dergleichen versicherungstechnisch abgesichert sein, um Betreiber und Serviceunternehmen vor nachhaltigen Schäden zu schützen. Die frequente Nutzung und der weitgehend freie Zugang bedeutet, dass wir u. U. ein vergleichsweise hohes Serviceaufkommen haben, um die Funktion/Verfügbarkeit der Anlagen sicherzustellen.

 


Fachjournalist:

  • Dittmarr Koop Fachjournalist 

Zur Person:

  • Michael Richter ist Geschäftsführer der BWTS GmbH
  • Sebastian Buca ist Marketing & Sales Director Central, South & East Europe bei Bureau Veritas
  • Thomas Haukje ist Geschäftsführender Gesellschafter der Nordwest Assekuranzmakler GmbH & Co. KG